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Erste Hilfe Kindernotfälle – Ein Erfahrungsbericht mit Ratschlägen

Patrizia Catucci
Patrizia Catucci
Einen Erste-Hilfe-Kurs für Eltern um Kindernotfälle zu erkennen? Brauch ich das? Unbedingt, dachte ich mir, und habe meinen Mann und mich angemeldet.

Notfälle bei Babies und Kleinkindern

Wenn Eltern wissen, wie sie wann reagieren müssen, gehen Gott sei Dank die meisten Unfälle glimpflich aus. Kleinere Verletzungen gehören zum Grosswerden dazu und haben wir als Eltern meist gut im Griff.

Da Babys und Kleinkinder oft noch nicht richtig kommunizieren können, gelten bei einem Notfall häufig andere Erste-Hilfe-Massnahmen als bei Erwachsenen.

 

Die meisten Unfälle geschehen nicht im Strassenverkehr, sondern zu Hause oder draussen beim Spielen. Gut, wenn du dann weisst, wie du schnell helfen kannst.

 

Bitte beachte, dass die folgenden Ratschläge als erste Hilfestellung gedacht sind und keinen Erste-Hilfe-Kurs ersetzen. Ich als Mutter empfehle den Kurs für Kindernotfälle sehr. 

Nothilfetipps bei Kindern

Ruhe bewahren und Situation einschätzen:

Wir hoffen es kommt nie so weit, dass du unsere Ratschläge befolgen musst. Falls doch, gilt als Erstes für alle Beteiligten: Bevor du im Notfall aktiv werden, versuche, Ruhe zu bewahren. Jeder Unfall, jede Notsituation mit einem Kind ist anders.

In der Aufregung sind aber drei Dinge entscheidend, wenn es dem Kind sichtbar schlecht geht:

 

  • Ist das Kind noch bei Bewusstsein?
  • Atmet das Kind noch? (Halte das Ohr über Mund und Nase des Kindes, achte auf Bewegungen des Brustkorbs).
  • Reagiert das Kind auf dich oder ist es apathisch?

 

Falls das Kind bewusstlos ist, jedoch atmet, dreh es in die stabile Seitenlage. Ein Baby kannst du auf den Bauch legen.

Für den Fall, dass das Kind bei Bewusstsein ist, hilft eine Checkliste, die auf dem K A S P E R L E-Konzept basiert:

  • Kontakt aufnehmen. Gib dem Kind das Gefühl der Sicherheit. Trösten und beruhigen hilft auch bei Schmerzen. Mach bewusst den Notfallcheck, also eine schnelle Untersuchung/Begutachtung des verletzten oder erkrankten Kindes. Dabei überprüf die Reaktion (kann ich es ansprechen?) und Atmung und führ bei Bedarf erste lebensrettende Massnahmen durch.
     
  • Ablenken. Versuch das Kind auf andere Gedanken zu bringen. Schmerzen werden so erträglicher.
     
  • Situation erklären. Sag dem Kind, was du tust und was als Nächstes passiert.
     
  • Personen einbeziehen. Eltern, oder nahestehende Personen beruhigen und vermitteln dem Kind Sicherheit.
     
  • Entscheidungsfreiheit lassen und Loben. Starke Blutungen müssen rasch gestillt werden. Drück auf die Wunde, um den Blutverlust zu stoppen oder zumindest zu bremsen. Ermögliche dem Kind dabei, eine aktive Rolle im Geschehen einzunehmen. Zum Beispiel indem es die Wundauflage selbst halten kann.
     
  • Reagiere ruhig und beruhige das Kind, damit es nicht panisch wird und dadurch die Situation verschlimmert.
     
  • Lieblingsstofftier besorgen: Falls sein Stofftier nicht zur Verfügung steht, tut es sicher auch ein Ersatz.
     
  • Ernst nehmen: nicht bagatellisieren oder in «Babysprache» verfallen. Das Kind soll merken, dass du seine Situation ernst nimmst und ihm helfen möchtest.

Fünf Notfälle bei Kindern inklusive Anleitungen, für den Fall der Fälle:

  1. Fremdkörper verschlucken
  2. Vergiftungen
  3. Stürze (Wickeltisch, Hochbett und Co.)
  4. Verbrennungen
  5. Ertrinken

Fremdkörper verschlucken

Es ist die schlimmste Vorstellung für Eltern: Das Kind verschluckt sich am Essen oder anderen Kleinteilen.

Szenario Ferien mit unserer damals 2-jährigen Tochter: Wir geniessen ein kleines Apéro mit Salami, Crackers und Weintrauben auf dem Balkon in der Ferienwohnung.

 

Die Kleine stibitzt sich ein Rädchen Salami. Statt zu kauen schluckt sie das ganze Stück, verschluckt sich, kriegt keine Luft. Was tun?

Zu Notfällen kommt es oft mit Nahrungsmitteln wie Weintrauben, Rüebli, Äpfeln, Cherry Tomätchen harten Crackern oder Nüssen. Aber auch Spielzeugteilchen und kleine Gegenstände landen im Mund.

 

Eine schnelle Reaktion ist dabei wichtig, denn wenn es zu einem Atemstillstand kommt, führt das leider sehr schnell zu bleibenden Hirnschäden (Sauerstoffmangel).

Achtung

  • Nie, einen Fremdkörper mit der Pinzette oder mit den Fingern aus dem Rachen zu entfernen.
     
  • Fordere das Kind zum Husten auf.
     
  • Funktioniert das Heraushusten nicht: Das Kind über dein Knie legen und ihm fünf Mal mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter klopfen.

    Ist das Kind zu gross, leg es über deine Oberschenkel, oder über einen Tisch, sodass der Oberkörper herunterhängt.
     
  • Nicht im Sitzen oder Stehen auf den Rücken klopfen. Das Kind nicht schütteln!
     
  • Ab drei Jahren: falls die obenstehenden Massnahmen nichts nützen, wende den sogenannten Heimlich-Handgriff* an.
     
  • Atmet das Kind nicht mehr, mit Wiederbelebungsmassnahmen, also einer Herzdruckmassage und der Beatmung beginnen.
     
  • Ist der Gegenstand entfernt, die Schwellung im Mund oder Hals kühlen, indem du deinem Kind zum Beispiel einen Eiswürfel zum Lutschen gibst.
     
  • Alarmiere in jedem Fall den Rettungsdienst (144) oder geh sofort zum Arzt um allfällige Folgeschäden abzuklären.

    Bei einer Aspiration eines Fremdkörpers sollte auf alle Fälle ein Notruf abgesetzt werden. Jedes Kind gehört nach dem Verschlucken eines Fremdkörpers in die spitalärztliche Kontrolle, denn der Fremdkörper könnte nach wie vor in der Lunge sein. Auch könnten nach den Massnahmen Verletzungen entstanden sein.

Der Heimlich-Griff*

Der Heimlich-Griff ist eine Sofortmassnahme bei drohender Erstickung. Dazu umfasse das Kind von hinten. Eine Hand platzierst du zur Faust geballt zwischen Bauchnabel und Rippenbogen. Die andere Hand legst du auf die Faust und gib nun ruckartig Druck in Richtung der Brust des Kindes.

 

Im Wechsel: fünf Schläge zwischen die Schulterblätter und fünf Heimlich-Manöver.

 

Nach Anwendung des Heimlich-Manövers muss zwingend eine Untersuchung durch einen Kinderarzt erfolgen.

Erstickungsnotfälle vermeiden?

Gib Kindern unter drei Jahren niemals Erdnüsse oder «hartes» Essen in grossen Stücken (Rüebli, Apfel, Cherry Tomätchen). Koch das Gemüse lieber weich. Das Kleinkind sollte nur sitzend am Tisch essen und nicht mit dem Essen herumlaufen oder springen.

 

Auf altersgerechte Spielsachen achten und kleine Gegenstände nicht herumliegen lassen.

Vergiftungen

Gefährliche Flüssigkeiten oder Nahrungsmittel

Ein Schluck aus der Whiskeyflasche, vom Blumendünger, ein Pilz auf der Wanderung oder die Vogelbeere im Mund …

 

Vergiftungen können im Haushalt, mit Duschmittel, Hustensaft, Medikamenten, oder auch in der Natur passieren.

 

Manche Vergiftungen sind weniger gefährlich, während andere sogar tödlich enden können. Bei Verdacht auf Vergiftung immer einen Arzt informieren.

 

  • Nie selbst mit Hausmittelchen helfen.
  • Bei einer Vergiftung ebenfalls nie das Kind «erbrechen lassen», da dadurch nur wenig Gift aus dem Körper entfernt wird und es zudem weitere Risiken birgt, wie zum Beispiel Verätzungen der Schleimhäute und Ersticken.

Erste Massnahmen bei Vergiftungen:

  • Kind beruhigen
  • Falls Anzeichen einer Vergiftung (Schaum im Mund, Erbrechen) bestehen, den Gift-Notruf wählen: Schweizerischen Tox-Zentrum 24h-Telefon: 145www.toxinfo.ch oder den Rettungsdienst 144 anrufen.
  • Halte dich bei allem, was du tust, an die Anweisungen der Giftnotrufzentrale. Die Gegenmassnahmen sind zugeschnitten auf das jeweilige Gift.
  • Eventuell vorhandene Reste des Eingenommenen mit einem Finger auswischen.
  • Heb die Reste des Giftes auf, damit das geeignete Gegenmittel bestimmt werden kann.

Vergiftungen vermeiden

  • Bewahre Medikamente an einem Ort auf, der für Kinder unzugänglich ist.
  • Medikamente nach jedem Gebrauch wegschliessen und nie herumliegen lassen.
  • Haushaltschemikalien wie Putz-, Spül- und Waschmittel immer für Kinder unerreichbar aufbewaren.
  • Chemikalien nicht in Lebensmittelverpackungen umfüllen
  • Kindersichere Verschlüsse bevorzugen und Behälter gut beschriften.
  • Gefährliche Flaschen sofort wieder verschliessen bevor du zum Beispiel den nächsten Telefonanruf annimmst oder an die Türe gehst.
  • Tabakreste können Vergiftungen verursachen. Zigarettenstummel deshalb sofort entsorgen.
  • Alkoholische Getränke unerreichbar für Kinder aufbewahren.

Stürze (Wickeltisch, Hochbett und Co.)

Ein Sturz oder ein heftiger Stoss führt manchmal zu einer Gehirnerschütterung oder gar zu einem Schädelbruch.

 

Falls dein Kind unglücklich stürzt oder runterfällt beobachte dein Kind.

 

  • Hat es Kopfschmerzen?
  • Ist es schläfrig, verwirrt, oder erbricht es sogar?
  • Trinkt und isst es?
  • Bei Zweifel sofort  den Arzt oder die Ärztin konsultieren
     

Wird eine Beule sichtbar und die Schwellung sieht kissenartig aus (mit Rändern weitläufig ausgefranst) oder der Zustand deines Kindes verschlimmert sich innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden nach dem Ereignis, geh bitte ebenfalls zum Arzt.

Stürze vorbeugen

  • Beim Wickeln immer eine Hand am Kind lassen, damit das Baby nicht herunterfallen kann.
  • Falls nötig unruhige, eingecremte oder nasse Kinder am Boden versorgen.
  • Hochbett, Trampolin und Anderes mit einem guten Seitenschutz ausstatten und kleine Kinder nicht unbeaufsichtigt spielen lassen.

Verbrennungen

Verbrennungen und Verbrühungen gehören zu den häufigsten Unfällen im Kindesalter. Ob an einer heissen Herdplatte, am heissen Brei, an der Heissleimpistole oder an einer Kerze … passiert ist es schnell.

 

Je mehr Haut verbrannt oder verbrüht ist, desto lebensgefährlicher wird es.

Verbrennungen sind immer schmerzhalft und sollten sofort behandelt werden. Erste Massnahmen bei Verbrennungen:

  • Das Kind sofort aus der Gefahrenzone nehmen
  • Brennende Kleidung sofort mit Decken, mit Wasser oder durch Wälzen auf dem Boden löschen.
  • Bei Verbrühungen schnell, aber vorsichtig die Kleider ausziehen.
  • Kühl die verbrannten oder verbrühten Stellen mit zirka 20 Grad warmen Wasser und feuchten Tüchern – lange, aber nicht mehr als zehn Minuten (Unterkühlungsgefahr bei zu kaltem Wasser).
  • Brandblasen nicht öffnen (Entzündungsgefahr)
  • Nach dem Kühlen die Haut mit Frischhaltefolie oder einer speziellen Verbrennungsfolie abdecken. Tücher würden an der Wunde kleben. Kleinere Wunden danach an der Luft heilen lassen.
  • Wunde NICHT pudern, mit Öl oder Salben bedecken.

Verbrennungen/Verbrühungen vorbeugen

Im Haushalt können vorbeugende Vorkehrungen getroffen werden. Nutz zum Beispiel für alle Steckdosen Sicherheitsstecker (Stromschlag).

 

Schliess immer offene Ofentüren und, falls du rauchst, achte auf die Glut. Kochende Pfannen und Töpfe oder brennende Kerzen nur ausser Reichweite deines Kindes abstellen.       

Ertrinken

Wusstest du, dass bereits eine Pfütze von zehn Zentimetern Tiefe, flache Gartenteiche oder Planschbecken reichen damit Kleinkinder ertrinken können?

 

Ertrinken ist leider die häufigste Todesursache bei kleinen Kindern. Wenn Kleinkinder ins Wasser fallen und der Kopf unter Wasser liegt, verlieren sie die Orientierung, bleiben vor Schreck regungslos und ertrinken «leise». 

 

Erste Hilfe bei drohendem Ertrinken oder bei einem Badeunfall:
 

  • Hilf dem Kind mit einem Rettungsring, einem Brett oder einem Stock aus dem Wasser. Das Kind könnte dich sonst ebenfalls gefährden, wenn es dich panisch vor Angst umklammert.
  • Leg das Kind, wenn es atmet, aber bewusstlos ist, in die stabile Seitenlage.
  • Keine Atmung? Wiederbelebungsmassnahmen einleiten!
     

Auch wenn es deinem Kind wieder gut geht, sollte es vom Arzt untersucht werden, um allfällige Spätfolgen zu erkennen.

Der beste Schutz: Das Kind nie unbeaufsichtigt in der Badewanne, im Planschbecken oder neben einem Teich/Gewässer lassen.

 

Smartphone oder Buch lieber liegen lassen und deinen Nachwuchs, auch wenn er Schwimmhilfen trägt, beobachten. Grosse Gefässe, die sich mit Wasser füllen können, nicht auf den Balkon oder in den Garten stellen.

 

>> Tipps der SLRG: Verhalten am Wasser mit Kindern (für Eltern)

Wie handle ich im Notfall?

Sekundäres Ertrinken

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Atem- und Kreislaufstillstand

Bei Atem- und Kreislaufstillstand hilft nur, das Kind zu beatmen und sein Herz zu komprimieren.

 

Nach neuesten Richtlinien des SRC (Swiss Resuscitation Council https://www.resuscitation.ch) erfolgen bei Kindern zwei Atemspenden durch Mund oder Nase und 15 Herzdruckmassagen, immer im Wechsel, bis der Rettungsdienst/Notarzt eingetroffen ist.

Gut zu wissen

Wähle den Notruf 144 bei Kindern erst nach einer Minute Wiederbelebung.

 

Bei Erwachsenen den Notruf sofort nach Erkennen des Atemstillstands absetzen.

Weitere Lektüre und Webseiten

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1 Kommentar
Bärlocher Sylvia 01.05.2023, 22:11

Gute Sache, immer nützlich! Habe mit 75 noch den Erste-Hilfe-Kurs für Kinder gemacht, damit ich meine Grosskinder möglichst gut betreue!

Dein Visana Blogteam 02.05.2023, 07:58

Liebe Sylvia

Danke, für deinen Kommentar. Es freut uns, dass Du dich für alle Fälle gut vorbereitest. Und überhaupt: Für einen Nothilfekurs ist man nie zu Alt oder Jung, oder? 

Herzliche Grüsse und alles Gute! 

Patrizia Catucci

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